Im September ist die klassische Behandlung der Bienenvölker gegen die Varroamilbe abgeschlossen. Wer auf eine Varroabekämpfung komplett ohne Chemie setzt, muss allerdings die ganze Bienensaison gut planen. Diese Verfahren helfen, auf chemische Mittel zu verzichten.
Die Biologie der Varroamilbe ist und bleibt trotz wiederkehrender Erklärungen für viele Imker ein Rätsel. Trotz oder vielleicht wegen der vielen möglichen Behandlungsmethoden bewegt dieses Thema jeden Imkerverein jedes Jahr aufs Neue. Wie viele Bienenvölker gehen zugrunde, weil sie falsch, zu spät oder überhaupt nicht behandelt wurden? Ende August lese ich einen Facebook-Eintrag: „Soll ich jetzt schon mit der Varroabehandlung beginnen oder kann ich noch zwei Wochen warten“. Solche Fragen zeigen, dass fundamentale Grundsätze in der Organisation der Bienenhaltung nicht geregelt sind.
Imkern ohne chemische Varroabekämpfung: Anspruchsvoller als viele Neuimker denken
Neben den unsachgemäßen Behandlungen, vielen Experimenten und den Bienenverlusten, die aufgrund von Weisellosigkeit, schlechter Königinnen oder Königinnenverluste auftreten, gibt es zudem eine wachsende Bewegung von Imkern, die nicht behandeln wollen. Sie wollen die Bienenvölker „trainieren“, mit der Milbe zurechtzukommen. Besonders Neulinge haben sich diesem Trend verschrieben. Zweifellos ist dies anzustreben. Das jahrzehntelange Behandeln der Varroose hat zu immer gravierenderen Problemen geführt. Wir Imker müssen definitiv umdenken!
Eine behandlungsfreie Imkerei setzt aber voraus, dass Bienenvölker in der Lage sind, Milben zu entdecken, Zellen zu öffnen, um befallene Brut auszuräumen und sich gegenseitig zu putzen. Das Putzverhalten nennt die Fachwelt „Grooming“. Beim Grooming signalisieren einzelne Bienen, dass sie geputzt werden wollen, andere in der Nähe stürzen sich auf die Signalgebende und reinigen sie vor allem am Hinterleib. Auf der Windel findet man bei Völkern, die dieses Verhalten zeigen, Milben mit abgeknabberten Füßchen. So manche Milbe, die noch lebend auf der Windel liegt, haben Bienen „weggeputzt“.
Solche genetisch veranlagten Bienen kann man mit der Stechkissenmethode nach Lutz Eggert im eigenen Bestand selektieren. Das Ausräumverhalten gibt Auskunft über das Hygieneverhalten der Völker. Auch spielen das Mikroklima im Bienenvolk und die „Zeitreserve“, die es hat, um das Putzverhalten zu entwickeln, eine große Rolle. Wild lebende und überlebende Völker bei uns in Europa und vor allem in Afrika zeigen, dass die Bienen auch ohne Behandlung lebensfähig sind. Das Dogma, dass die Bienenspezies ohne den Eingriff der Imker nicht überlebensfähig sei, bleibt so nicht mehr aufrechtzuerhalten (siehe dbj 12/2018).
Warnung: Varroabehandlung kann man nicht einfach auslassen
Gleichzeitig möchte ich dringend davor warnen, nun plötzlich die Bienenvölker nicht mehr zu behandeln. Gerade Anfänger, die eine naturnahe und behandlungsfreie Imkerei betreiben möchten, sollten sich unbedingt erst für einige Jahre unter die Obhut eines Imkerpaten begeben. So lernen sie einen fachgerechten Umgang mit den Bienen üben erst einmal. Ansonsten werden nichtbehandelte, absterbende Bienenvölker unkontrolliert zu Varroaschleudern. Der Weg zur behandlungsfreien Imkerei ist kein leichtfertiges Projekt.
Vielleicht hilft ein Blick in das natürliche Verhalten unserer Bienenvölker. Normalerweise schwärmt ein Volk ein Mal im Jahr ab. Es lässt Brut (mit viel Milben) zurück und wagt einen Neuanfang (mit wenig Milben). Die lange brutfreie Zeit sorgt dafür, dass Milben abfallen, sich nicht vermehren und sogar in ihrer Vermehrungsfähigkeit reduziert werden.
Varroamilben reduzieren durch die totale Brutentnahme oder Bannwabe
Dieses Abschwärmen können wir durch eine totale Brutentnahme imitieren. Entnehmen wir die Brut nach der Tracht, dann ersparen wir uns wochenlanges Behandeln mit Ameisensäure oder anderen Präparaten. Sobald das Volk das Brutnest wieder angelegt hat, kann mit einer einmaligen Oxalsäurebehandlung die Milbenbelastung stark reduziert werden. Erst im September steht dann die nächsten Behandlung an.
Man kann die Erstbehandlung nach totaler Brutentnahme auch durch eine Bannwabe völlig reduzieren. Hierzu belässt der Imker eine Wabe mit bereits vorhandenen Larven im Zentrum des neu entstehenden Brutnestes. Nach einigen Tagen, wenn die Brut verdeckelt ist, die neu angelegte jedoch noch nicht, entnimmt man die Bannwabe. So verzichtet man komplett auf Chemie. Dieses Verfahren können gerade kleinere Imkereien problemlos anwenden. Der Arbeitsaufwand bleibt überschaubar.
Brutentnahme im Mai: Schwarmkontrolle entfällt
Entnimmt der Imker die Brut im Mai, kann er vollständig auf Schwarmkontrolle verzichten. Dabei entnimmt man dem Volk sämtliche Brutwaben und hängt etwa halb so viele Mittelwände ein, wie man entnommen hat. Dieser Brutraum wird durch Schiede definiert. Hinter den Schieden dürfen keine Waben hängen. Das Volk legt eine neue Gebärmutter an. Es fühlt sich so, als sei es abgeschwärmt. Dadurch müssen wir keinerlei schwarmverhindernde Maßnahmen mehr machen.
Das Volk hat im Blütenhonig praktisch keine Ernteeinbußen. Sofort nach der Blütenernte erweitert man der Brutraum langsam Wabe für Wabe wieder bis auf die erforderlichen 42.000 Zellen. Erfahrene Imker erkennen, dass man – je nach beabsichtigter Ernteabfolge – die Wabenzahl auch auf wenigen Rähmchen belassen kann.
Diese Maßnahme reduziert zugleich die Milbenbelastung so stark, dass man im Zusammenspiel mit einer Hygieneselektion der Völker ein reduziertes Behandeln im Sommer und Herbst wagen kann. Aber nur im Zusammenhang mit einer scharfen Selektion auf das Hygieneverhalten der Bienen. Alles andere ist Abenteuer.
Bienenvölker umweiseln und Schwärme verhindern
Ähnliches kann man durch das Umweiseln der Völker erreichen. Ein Umweiseln im Mai reduziert ebenfalls den Schwarmtrieb und bringt in den Sommer hinein große Brutnester. Das Umgeweiseln funktioniert, indem man die alte Königin aus dem Volk entnimmt und die neue im Ausfresskäfig sofort dazugibt. Ein typischer Fehler dabei wäre das zu lange Abwarten: Wenn sich das umzuweiselnde Volk weisellos fühlt, verliert es seine Dynamik. Viele Imkerlehrer propagieren immer noch die vorübergehende Weisellosigkeit als Notlösung, damit die Bienen beim Umweiseln die neue Königinnen nicht abstechen – meiner Meinung nach eine veraltete Lehrmeinung.
Schon Bruder Adam hat auf die Notwendigkeit der Reife der Eierstöcke bei der Königin verwiesen. Diese tritt nach etwa fünf Wochen Entwicklungszeit ein. Zu diesem Termin kann die Königin als reif gelten. Eine solcherart reife Königin kann zu jedem Zeitpunkt eingeweiselt werden, ohne Zuwarten und Schwächungen der Völker mit weisellosen Zeiten.
Auch die Natur weiselt um, wenn die Königinnen nicht mehr stark genug sind, im Folgejahr große Völker aufzubauen. Wir nennen es „stille Umweiselung“. Dem können wir jedoch vorgreifen und im Zeitraum zwischen Juli und Oktober unsere Völker mit jungen Königinnen bestücken. Dies reduziert den Schwarmtrieb und verbessert die Lebenschancen unserer Bienenvölker – denn so macht es auch die Natur.
…und noch ein kurzes Video zum Thema: